Sportliches Training: Warum die Standardmethoden im Frage gestellt werden können

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An dieser Stelle soll es einmal um die grundlegende Struktur von Krafttraining/Muskeltraining gehen. Wir wollen uns etwas von der normalen Trainingslehre, die das Training recht einfach auffasst, wegbewegen und das Ganze etwas differenzierter betrachten – und dabei vielleicht sogar noch lernen, wie wir unserer eigenes Training – oder als Trainer das unserer Schützlinge – weiter verbessern können. Auch hier bei Sport-Attack arbeiten wir in der Trainingsplan-Bibliothek mit einfachen Angaben. Wir geben Übungen, Reihenfolge der Übungen und Anzahl der Wiederholungen an.. Auf mehr Angaben verzichten wir. Nicht, weil wir nicht wissen, dass es noch weitere Einflussfaktoren gibt, sondern, weil die weiteren Einflussfaktoren individuell betrachtet werden müssen. Genau genommen ist schon die Angabe der Wiederholungszahlen eine sehr schwammige Angabe. Dazu gleicht mehr. Dieser Artikel ist also etwas für diejenigen, die nicht einfach nur simple Vorgaben wollen, sondern sich auch selbst etwas mit dem Training und seinen Einflussfaktoren auseinander setzen wollen.

Die üblichen Standardangaben

Ein typisches systematisch strukturiertes Training bedient sich üblicherweise folgender Parameter:

Intensität: Angabe in Prozent des 1 Wiederholungsmaximums

Wiederholungen je Satz

Anzahl der Sätze

Pause zwischen den Sätzen

Durchführungsgeschwindigkeit: Angabe meist in der Form von „langsam bis zügig“ oder „explosiv“ usw.

Mit diesen Standardangaben kann man gut arbeiten und diejenigen, die es schon einmal versucht haben, werden festgestellt haben, dass mit diesen Parametern eine systematische Trainingsplanung und Messung des Erfolgs möglich ist. Diese an sich sehr praktischen Standardparameter geben zwar einen einfach zu verstehenden Rahmen vor, sind aber letzten Endes ziemlich unpräzise, vor allem, wenn sie allein stehen. Außerdem vernachlässigen Sie die individuelle sportliche Vorgeschichte und genetische Prägung eines jeden Einzelnen.

Beispiel Intensität: Wenn Sie in einer Übung ihre maximale Leistung ermitteln, können Sie nicht einfach durch den relativen Anteil dazu auf den optimalen Trainingsreiz in einem bestimmten Wiederholungsbereich schließen. Das einfache runter rechnen funktioniert nicht. Das belegt auch eine Studie von Zatsiosky und Kulik. Sie verglichen die tatsächlich erbrachte Wiederholungszahl von verschiedenen Personen bei der Beinpresse und dem Bizepscurl als vergleichende Übungen. Sie stellten dabei fest, dass es trotz prozentual gleich angelegter Belastung deutliche Unterschiede in der Anzahl der möglichen Wiederholungen gab. Das Verteilungsmuster wich sowohl zwischen den Übngen, als auch zwischen den einzelnen Personen deutlich ab.

Ob eine solche Bestimmung der Reizintensität im Training Sinn macht ist auf jeden Fall fraglich. Eigentlich braucht es da auch nicht unbedingt Studien. Machen Sie den Selbstversuch. Sie werden kaum ein einheitliches Muster zur Bestimmung der Intensität einheitlich auf alle Ihre Muskelgruppen anwenden können. Und wenn Sie sich ein komplexes Schema erarbeitet haben, heißt das am Ende immer noch nicht, dass dieses Schema auch für die Trainingskollegen oder Schützlinge gilt.

Weitere Faktoren

Letzen Endes spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Wenn Sie dafür sorgen wollen, dass die Trainingsergebnisse vergleichbar sind, müssen die weitaus mehr beachten, als nur diese einfachen Angaben. Dazu zählen z.B. die Dauer der konzentrischen Phase und die Dauer der exzentrischen Phase. Wird eine Pause zwischen den Wiederholungen gemacht? Gibt es eine statische Phase? Findet ein impulsartiges Umkehren der Bewegung statt?

Besondere Beachtung ist der ROM, der Range Oft Motion, also dem Bewegungsradius, über dem die Übung ausgeführt wird, zu schenken. Oft gehen wir nach dem Standard „Je mehr Bewegungsradius, desto besser!“und Weisheiten wie „Nutze immer den vollen Bewegungsradius“ sind uns bestens bekannt. Grundsätzlich spricht erst einmal nichts gegen diese Trainingsprinzipien. Sie sorgen auf jeden Fall schon einmal dafür, dass wesentlich weniger grobe Trainingsfehler passieren. Dennoch gibt es viele Bewegungen, die bei einem maximalen ROM Muskeln rekrutieren, die nicht unsere Zielmuskulatur sind. Der gezielte Trainingseffekt wird unter Umständen reduziert. Das ist nicht unbedingt schlimm, vor allem, wenn man funktionell trainieren will. Wenn Sie aber gezielt an speziellen Defiziten arbeiten wollen, sollten Sie sich mit dem anatomischen Feinheiten auseinander setzen.

Der Bewegungsradius ist vor allem auch anatomisch bedingt und macht einen Vergleich zwischen verschiedenen Personen noch schwerer. Ein schon um 1 cm verschobener Muskelansatz oder etwas längere Arme können den Spannungsreiz auf die Brustmuskulatur beim z.B Bankdrücken deutlich verändern. So können zwei Personen eine Übung mit dem selben Gewicht scheinbar gleich ausführen und trotzdem völlig andere Reize setzen. Könnte man also vielleicht folgende Werte als Normparameter nehmen?

Konzentrische Belastungszeit

Isometrische Belastungszeit

Exzentrische Belastungszeit

Bewegungsradius in ° im Gelenk

Gefühlter Dehnungszustand der Muskulatur

Vor allem der letzte Punkt wird aber schon wieder etwas schwammig. Wir lernen letzten Endes daraus, dass sich eine angewendete Methode leider nicht in letzter Exaktheit beschreiben lässt. Umso wichtiger ist es aber, so nah wie möglich an eine exakte Beschreibung der Übung heran zu kommen, um eine möglichst gute Vergleichbarkeit zu schaffen und Trainingsprozesse optimal zu steuern – zumindest, wenn man professionell arbeiten will. Denken Sie einmal etwas nach, mit Sicherheit fallen Ihnen noch weitere Möglichkeiten ein, eine Übung genauer zu beschreiben.

Die sogenannte „response Matrix“

Die sogenannte „response Matrix“ beschreibt im Grunde nicht anderes als den Trainingsgrundsatz „Jeder ist ein individueller Trainingsfall“- und zwar äußerst individuell. Jeder Mensch bildet eine response Matrix aufgrund einer Mischung aus genetischen Anlagen, allgemeinen Umwelteinflüssen, allgemeiner sportlicher Vergangenheit und spezifischer sportlicher Trainingserfahrung. Jemand, der jahrelang aktiv gerudert hat, hat sehr wahrscheinlich eine sehr gute Kraftausdauer – vor allem in seiner Arm, Rücken und Schultermuskulatur aufgebaut. Als Trainer oder auch als Trainierender selbst muss uns bewusst sein, dass dies eine verbesserte Kapilarisierung der Muskulatur und eine erhöhte Laktattoleranz zur Folge hat. Unter Umständen erreichen wir mit dem typischen Wiederholungszahlen und der standardmäßig empfohlenen Wiederholungszahl (wie auch immer die Ausführung dann aussehen mag) überhaupt keinen wirksamen Trainingsreiz. Ein einfacheres Beispiel: Während ein 35 jähriger sportlich inaktiver Mann durchaus auf ein Kraftausdauertraining mit deutlicher Hypertrophie reagiert, wird sich beim 25 -jährigen Kickboxer wahrscheinlich nicht viel tun.

Das Sportprofil erstellen

Um so effektiv wie möglich zu arbeiten, sollten Sie ein Sportlerprofil erstellen. Dieses sollte mindestens folgende Aspekte enthalten:

– Alter

– Geschlecht

– eventuelle körperliche Einschränkungen

– sportliche Vorerfahrung und daraus resultierende körperliche Gegebenheiten

– eventuelle spezifische Leistungsdiagnosen und Krafttests

Fazit

Wirklich systematisches sportliches Training ist komplizierter, als man vielleicht denkt. Es lohnt sich aber, sich damit genauer auseinander zu setzen. Die Standardmethoden der Trainingslehre bieten eine gute Möglichkeit, systematische Trainingssteuerung zu erlernen. Wenn es irgendwann aber nicht mehr weiter geht, ist die suche nach Ursachen meist aussichtslos. Je genauer Sie Ihr Sportlerprofil kennen und die Übungsausführung festlegen, desto besser können die den Erfolg bei der Veränderung eines einzelnen Parameters messen.

 

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